Rosenow
Skulptur „Hanna“ von Thomas JastramAus dem dörflichen Ensemble sticht die 1851 auf den Fundamenten eines Vorgängerbaus errichtete Backsteinkirche in ihrer klaren Gliederung hervor. Die noch nicht durch die strenge Form der Neogotik beeinflusste Stilistik lässt insbesondere durch die enge Dopplung schlanker, zweibahniger Maßwerkfenster in den flächigen Langhauswänden den Kirchenraum wie einen fast fragilen „Schrein“ erscheinen. Der seit der Sanierung 2013 weitgehend schlichte und mobil bestuhlte Innenraum verstärkt diesen Eindruck, indem er seinen Nukleus in einem spätmittelalterlichen Altarretabel findet, das ganz auf die apokalyptische „Mondsichelmadonna“ konzentriert ist. Die mit Maria identifizierte Gestalt aus der Johannesoffenbarung (Offb. 12) ist mit Szenen des Alten Testaments umgeben, die, der mittelalterlichen Theologie folgend, ihre jungfräuliche Empfängnis symbolisch und typologisch vorwegnehmen.
Eine Figur, die durch ihre unerwartete Schwangerschaft ebenfalls als Vorläuferin der Gottesmutter gesehen wurde, ist Hanna, die Mutter des Propheten Samuel (1. Sam 1). Sie nahm sich der Bildhauer Thomas Jastram (geb. 1959) zum Vorbild, als er 2013 die gleichnamige Skulptur aus Anröchter Stein, einer speziellen Kalksteinart, schuf. Die Initiative hierfür ging vom 34. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Hamburg aus. Sechs renommierte Künstler hatten dort begonnen, Werke unter dem Motto „Von Engeln, Wächtern und Propheten“ zu gestalten, um sie anschließend an verschiedenen Aufstellungsorten im Bereich der Nordkirche zu vollenden. So gelangte Jastrams „Hanna“ auf den alten Rosenower Friedhof, der sie durch seine kreisförmige Feldsteinmauer gleichsam in eine „Umlaufbahn“ der Kirche zu verweisen scheint. Die lebensgroße Aktdarstellung besticht durch ihre aufrechte Haltung, die durch den zurückgeworfenen linken Arm eine Dynamik erhält, die sich auch durch ihre Blickrichtung auf die linke Brust konzentriert. Diese wird vom rechten Arm umfasst und dem Betrachter entgegengesteckt. Hierbei ließ sich der Künstler von Caravaggios Gemälde „Die sieben Werke der Barmherzigkeit“ (Neapel, 1607) inspirieren, das die antike Legende der „caritas romana“ aufgreift, in der eine junge Frau ihrem inhaftierten Vater die Brust reicht, um seinen Hunger zu lindern.
Durch die brüchige Oberfläche des Steins wird ein plakativer Schauwert zurückgenommen und die Skulptur bewahrt ihren allegorischen Charakter. Damit wird sie in das geplante Gestaltungskonzept von (Kultur-)Kirche und Friedhof eingebunden, das sich den christlichen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe widmet.