Kirche Woldegk

Fenster
Chorrraum mit den neuen Fenstern

Die Stadtkirche St. Petri hat eine lange bewegte Geschichte. Vom ursprünglichen Feldsteinbau aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts sind seit einem Brand im Jahre 1442 nur noch der rechteckige Chor, die Sakristei, ein Nordportal und der Unterbau des Westturmes erhalten. Das Langhaus wurde als vierjochige, dreischiffige Halle aus Backstein neu errichtet. Im Jahre 1556 wurden dessen Stern- und Kreuzgewölbe vollendet. Die Dächer, der Turmaufsatz, alle Gewölbe und die Ausstattung wurden im 2. Weltkrieg komplett zerstört. Nach den Aufräum- und Erhaltungsarbeiten und großen Anstrengungen konnte die Kirche 1957 wieder eingeweiht werden.

Leider war der Wiederaufbau der Kirche in vereinfachter Form und ohne den Turm erfolgt: die Langhausgiebel ohne ihre Gliederung, die Dächer ohne Gauben, das Hauptschiff mit einer Flachdecke, der Chor mit einer hölzernen Tonne, die Turmhalle mit einer Flachdecke aus Spannbeton und einem Satteldach mit Schleppgauben. Die Fenster waren bleiverglast worden, jedoch ohne gestalterischen Ansatz. Der Turmaufsatz aus Fachwerk wurde erst nach langem Bestreben der Gemeinde in den Jahren 2007/08 in Anlehnung an den Zustand um 1925 rekonstruiert.

Detail mittleres der drei Ostfenster
Detail rechtes der drei Ostfenster
Detail Südfenster
Detail Südfenster
Gerüst für den Einbau der Ostfenster
Erster Entwurf Thomas Kuzio Ostfenster
Zweiter Entwurf Thomas Kuzio Ostfenster
Straßenseite mit Kirche

 
Nach erfolgreicher Sanierung der Außenhülle und einer Instandsetzung des Daches im Jahre 2014 wurde mit dem Planungsbüro graia, dem Glasgestalter Thomas Kuzio und dem Restaurator Detlef Krohn ein Konzept zur Neugestaltung des Kircheninnenraumes aufgestellt. Wesentlicher Bestandteil dieser Neukonzeption waren die Chorfenster.

Hierbei hat sich die Kirchengemeinde mit der Geschichte der Stadt Woldegk als alte Ackerbürgerstadt auseinandergesetzt und den Zugang der Menschen zum Evangelium in dieser Gegend durch Bilder und Gleichnisse vom Ackerbau und von der Viehzucht gesehen. Das Gleichnis vom Sämann bzw. vom vierfachen Acker aus Markus 4 sprach dabei die Gemeinde besonders an.

Das Gleichnis vom Sämann (Markus, 4,3-9)

Hört zu! Siehe, es ging ein Sämann aus zu säen.

Und es begab sich, indem er säte, fiel etliches an den Weg; da kamen die Vögel und fraßen's auf.

Anderes fiel auf felsigen Boden, wo es nicht viel Erde hatte, und ging bald auf, weil es keine tiefe Erde hatte.

Da nun die Sonne aufging, verwelkte es, und weil es keine Wurzel hatte, verdorrte es.

Und anderes fiel unter die Dornen, und die Dornen wuchsen empor und erstickten's, und es brachte keine Frucht.

Und all das Übrige fiel auf das gute Land, ging auf und wuchs und brachte Frucht, und einiges trug dreißigfach und einiges sechzigfach und einiges hundertfach.

Und er sprach: Wer Ohren hat zu hören, der höre!

„Viele in dieser Gemeinde versuchen das Evangelium unter die Menschen zu bringen. Das ist nicht immer leicht, besonders nicht in einer Gegend, in der die Menschen von sich behaupten, schon immer sturköpfig gewesen zu sein. Es ist auch nicht leicht, da hier nur noch eine Minderheit der Evangelischen Kirche angehört und  manch einer, dem man von Gott erzählen möchte, sein Herz schon so verschlossen hat, dass nichts mehr dorthin vordringt. Für diese enthält das Gleichnis eine tröstende Botschaft: Gott gibt keinen auf, sein Wort geht an alle aus, aber nicht überall bringt es Frucht. Wo es aber Frucht bringt, da bringt es hundertfach Frucht.“ – Pastorin Manuela Markowsky

Rainer Schmitt, Geschäftsführer der Firma Derix Glasstudios GmbH Co. KG und der Glaskünstler Thomas Kuzio bei der Abnahme der Fenster. Dafür werden sie in einem Ausstellungsfenster in der Firma in Taunusstein geprüft - vor einer letzten Korrekturmöglichkeit. Zum Teil sind sie hier schon gebleit, zum Teil auf Folien geklebt; so werden sie zwischen zwei Glasscheiben fixiert.

Die Kirchengemeinde hat nach gründlicher Auseinandersetzung mit der Aufgabe Thomas Kuzio direkt beauftragt. Es folgte ein Prozess, während dessen Thomas Kuzio seinen ersten Entwurf noch einmal überarbeitete und leicht veränderte. Das Besondere dieser Gestaltungsaufgabe war, dass sie dem Künstler einen großen Freiraum gab, denn aufgrund der Zerstörung der Innenausstattung konnte ohne Rücksicht auf ältere Ausstattungsstücke etwas ganz Neues, Raumprägendes geschaffen werden.

Im Herbst 2017 wurden die drei neu gestalteten Chorfenster in der Ostwand und ein schmales Fenster in der Südwand des Chores eingebaut. Mit ihrer Fülle kräftiger Farben und bewegter Formen vermitteln sie die Dynamik fruchtbaren Wachsens und Gedeihens. Sie verleihen dem Raum eine lebendige Energie, die den Eintretenden schon am Westportal empfängt. Zugleich fügen sie sich farblich harmonisch in den Gesamtraum ein.

Für die Nordseite des Chores sind drei weitere Fenster bereits von Thomas Kuzio im Rahmen des Gesamtentwurfs geplant; sie sollen so bald wie möglich verwirklicht werden.