Neugotische Taufschalen

Acht Schalen im fertigen Zustand und Messingglanz, eine im Vorzustand - korrodiert.

Es gibt in mecklenburgischen Kirchen etwa 30 sehr ähnliche neugotische Taufschalen von demselben – bisher unbekannten – Hersteller. Allen gemeinsam ist ein Herstellungsfehler, der überall ähnliche Schäden verursacht hat. 16 der defekten Schalen konnten 2018 restauriert werden, und weitere folgen 2019.

Diese Taufschalen aus Messingblech haben einen sechs-, acht-, zehn- oder zwölfeckigen breiten Rand (Fahne). Die einzelnen Segmente der Fahne überlappen jeweils an den Nahtstellen und sind dort durch je ein Zierteil, gestanzt aus Messingblech, verdeckt. Die Zierteile kommen in insgesamt drei verschiedenen blatt- und blütenkelchartigen Formen vor. Die zugehörigen Taufsteine aus mineralischem Steinguss sind sich ebenfalls sehr ähnlich, mehreckig wie die Schalen und mit neugotischen Dreipassformen gegliedert. In Schleswig-Holstein und Pommern sind diese Taufsteine und -schalen nicht bekannt, in Brandenburg gibt es einige. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden vasa sacra zunehmend in einer Kombination von serieller Handarbeit und teilindustrieller Herstellung angeboten, mit Katalogen beworben und vertrieben. Der Vertrieb dieses Herstellers hatte in Mecklenburg vermutlich zentrale Unterstützung durch den Schweriner Oberkirchenrat gefunden.

Vorzustand einer Schale: sieben der acht Zierteile sind hier beschädigt.
Vorzustand einer anderen Schale: hier fehlen drei der Zierelemente und die anderen fünf sind defekt.
Die mangelhafte Füllung der Zierteile wird hier sichtbar.
Drei Typen der neuen Zierteile jeweils vor und nach dem Glätten

Bei der Herstellung der Schalen war versucht worden, die Zierteile aufzulöten, doch haben sich die halbhohl gefertigten Teile teilweise später gelöst, sind gebrochen oder auch verloren gegangen. An einigen Schalen hat sich außerdem die Fahne vom Hochrand gelöst, an den sie gelötet ist. Fast alle Schalen waren bzw. sind stark korrodiert.

Die Nachbildung einzelner fehlender oder defekter Zierteile für eine solche Taufschale in der historischen Technik wäre sehr kostspielig für die einzelne Kirchengemeinde gewesen. So entstand die Idee, mit Hilfe der Kunstgutdatenbank alle benötigten Teile zu recherchieren und sie in einer Aktion gießen zu lassen. Dies wurde möglich, weil die Stiftung Kirchliches Bauen in Mecklenburg die Kosten für den Guss aller 150 Teile übernommen und die Bronzegießerei Filthaut in Iserlohn damit beauftragt hat. Die betroffenen Kirchengemeinden haben inzwischen fast alle ihre Taufschalen mit den kostenlos von der Stiftung zur Verfügung gestellten Zierteilen durch den Gürtlermeister und Metallrestaurator Michael Voß restaurieren lassen.

Michael Voß hat nicht nur die neuen Gussteile geglättet und aufgelötet, sondern auch alle alten intakten Zierteile abgenommen, die Zinnreste entfernt, sie rückseitig mit Blei gefüllt und wieder aufgelötet. Bei einigen Schalen musste der Hochrand komplett von der Fahne gelöst werden, um metallisch reine Lötstellen zu erhalten. Anschließend hat er die Schalen jeweils gereinigt und poliert sowie mit Mikrowachs ihren wieder erstrahlenden Messing-Glanz konserviert.

Alle Zierteile wurden abgenommen; sie waren kaum - nur an den blanken Stellen - befestigt.
Die Nahtstellen zwischen den Segmenten wurden nachgelötet.
Nach dem Löten wurden die Schalen vorpoliert.
Der wulstförmige Fahnenrand ist verstärkt mit einem Eisendraht, der meist verrostet ist.
Der verrostete Eisendraht wurde ersetzt durch einen Kupferdraht.
Michael Voß bereitet das Auflöten der Zierelemente vor.
Michael Voß bereitet das Auflöten der Zierelemente vor.
Das Auflöten der Zierelemente